Erben einer durch Naziunrecht enteigneten Familie erhalten nach jahrelangem Rechtsstreit eine mittlere sechsstellige Entschädigungszahlung.
Es ist unglaublich, aber Realität, dass Jahrzehnte nach dem Ende von Nazideutschland immer noch um Entschädigungen gestritten wird.
Rechtsanwalt Nils Buchartowski, Experte für Erbrecht und Verwaltungsrecht – insbesondere für Staatshaftungsrecht – setzte vor kurzem eine sechsstellige Entschädigungssumme gegen einen Träger der öffentlichen Verwaltung durch.
Der Sachverhalt begann 1936. Zu diesem Zeitpunkt enteigneten die Nazis die Vorfahren der vor dem Landgericht Potsdam klagenden Erbengemeinschaft, weil deren Vorfahrin jüdischer Abstammung war. Die Enteignung der Vorfahrin fand durch den Zwangsverkauf von Grundstücken an Regimetreue statt, natürlich lediglich zu einem Bruchteil des reellen Wertes der betroffenen Grundstücke.
Viele Jahre später versuchte die spätere Bundesrepublik, das begangene Enteignungsunrecht wiedergut zu machen und führte das sogenannte „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ (Vermögensgesetz – VermG) ein.
Dieses entstand 1990 primär, um im Wege der Wiedervereinigung Enteignungen der ehemaligen Sowjetunion in der damaligen DDR zu kompensieren. Da die DDR, anders als die BRD, zuvor keine Regelungen bezüglich der Kompensation von begangenem Naziunrecht und dadurch entstandener, unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen kannte, erweiterte man das hier angesprochene Gesetz kurzerhand auch auf Enteignungen des Dritten Reiches auf dem ehemaligen Staatsgebiet der DDR.
In dem Prozess vor dem Landgericht Potsdam stand nun noch ein Grundstück der Vorfahrin der klagenden Erbengemeinschaft zur Debatte.
Alle anderen Grundstücke, um welche die Erblasserin enteignet worden war, konnte man in jahrelanger Arbeit auf anderweitigen Wegen wieder zurück an die Erbengemeinschaft geben oder zumindest eine finanzielle Kompensation erstreiten.
Die juristische Besonderheit an dem Fall vor dem Landgericht Potsdam war, dass der Nachfahre der ersten Generation nach der enteigneten Familie bereits sogenannte Restitutionsansprüche bei der zuständigen Behörde gestellt hatte, also, dass der damalige Antragsteller der Behörde angezeigt hat, dass die hier betroffenen Vorfahren Eigentümer von Grundstücken waren und diese von den Nazis enteignet worden sind.
Die zuständige Behörde bearbeitete den Antrag für sechs Jahre nicht.
In der Zwischenzeit wurde das vor dem Landgericht Potsdam gegenständliche Grundstück gutgläubig an einen Dritten weiterveräußert. Dies bedeutet, dass der Dritte das Grundstück ohne Belastungen erhalten hat. Damit war es endgültig unmöglich geworden, das Grundstück an die Erben der ursprünglichen Eigentümer zu überführen.
Nachdem nunmehr auch der ursprüngliche Antragsteller verstarb, bildete sich eine große Erbengemeinschaft aus der zweiten Generation der Nachfahren der enteigneten Familie.
Im Wege der Restitution war die Erbengemeinschaft zunächst gezwungen, gegen die Verkäufer der Immobilie vorzugehen. Diese waren selber Nachfahren der Regimetreuen, die 1936 das Grundstück erhalten hatten.
Die Verkäufer gerieten allerdings in Insolvenz, sodass eine Realisierung der Forderung der Erbengemeinschaft auf Kompensation des Vermögensverlustes unmöglich wurde.
Mit der Insolvenz des letzten, privaten Schuldners war allerdings endlich der Weg für Staatshaftungsansprüche gegen den Träger der zuständigen Behörde für die Restitutionsanträge offen.
Eine Besonderheit des Staatshaftungsrechtes ist es, dass der Staat gemäß § 839 I S. 2 BGB nur subsidiär (nachrangig) haftet. Der Anspruchssteller muss also zunächst alle anderen möglichen Quellen der Kompensation in Anspruch genommen haben.
Letztlich konnten die Ansprüche gegen den Staat realisiert werden, weil dieser den rechtmäßigen Restitutionsantrag der Vorfahren der Kläger innerhalb von sechs Jahren nicht bearbeitete. Wäre der Antrag rechtmäßig bearbeitet worden, wäre das Grundstück nicht an einen Dritten verkauft worden und hätte noch an die Erbengemeinschaft übergeben werden können. „Die saubere Aufarbeitung aller Geschehnisse seit 1936 hat mehrere Monate in Anspruch genommen. Es mussten diverse Archivstellen und Behörden befragt werden und Dutzende an Aktenordnern gesichtet werden“, so Rechtsanw