von Merle Hribar | Jan 11, 2022 | Allgemein
Erben einer durch Naziunrecht enteigneten Familie erhalten nach jahrelangem Rechtsstreit eine mittlere sechsstellige Entschädigungszahlung.
Es ist unglaublich, aber Realität, dass Jahrzehnte nach dem Ende von Nazideutschland immer noch um Entschädigungen gestritten wird.
Rechtsanwalt Nils Buchartowski, Experte für Erbrecht und Verwaltungsrecht – insbesondere für Staatshaftungsrecht – setzte vor kurzem eine sechsstellige Entschädigungssumme gegen einen Träger der öffentlichen Verwaltung durch.
Der Sachverhalt begann 1936. Zu diesem Zeitpunkt enteigneten die Nazis die Vorfahren der vor dem Landgericht Potsdam klagenden Erbengemeinschaft, weil deren Vorfahrin jüdischer Abstammung war. Die Enteignung der Vorfahrin fand durch den Zwangsverkauf von Grundstücken an Regimetreue statt, natürlich lediglich zu einem Bruchteil des reellen Wertes der betroffenen Grundstücke.
Viele Jahre später versuchte die spätere Bundesrepublik, das begangene Enteignungsunrecht wiedergut zu machen und führte das sogenannte „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ (Vermögensgesetz – VermG) ein.
Dieses entstand 1990 primär, um im Wege der Wiedervereinigung Enteignungen der ehemaligen Sowjetunion in der damaligen DDR zu kompensieren. Da die DDR, anders als die BRD, zuvor keine Regelungen bezüglich der Kompensation von begangenem Naziunrecht und dadurch entstandener, unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen kannte, erweiterte man das hier angesprochene Gesetz kurzerhand auch auf Enteignungen des Dritten Reiches auf dem ehemaligen Staatsgebiet der DDR.
In dem Prozess vor dem Landgericht Potsdam stand nun noch ein Grundstück der Vorfahrin der klagenden Erbengemeinschaft zur Debatte.
Alle anderen Grundstücke, um welche die Erblasserin enteignet worden war, konnte man in jahrelanger Arbeit auf anderweitigen Wegen wieder zurück an die Erbengemeinschaft geben oder zumindest eine finanzielle Kompensation erstreiten.
Die juristische Besonderheit an dem Fall vor dem Landgericht Potsdam war, dass der Nachfahre der ersten Generation nach der enteigneten Familie bereits sogenannte Restitutionsansprüche bei der zuständigen Behörde gestellt hatte, also, dass der damalige Antragsteller der Behörde angezeigt hat, dass die hier betroffenen Vorfahren Eigentümer von Grundstücken waren und diese von den Nazis enteignet worden sind.
Die zuständige Behörde bearbeitete den Antrag für sechs Jahre nicht.
In der Zwischenzeit wurde das vor dem Landgericht Potsdam gegenständliche Grundstück gutgläubig an einen Dritten weiterveräußert. Dies bedeutet, dass der Dritte das Grundstück ohne Belastungen erhalten hat. Damit war es endgültig unmöglich geworden, das Grundstück an die Erben der ursprünglichen Eigentümer zu überführen.
Nachdem nunmehr auch der ursprüngliche Antragsteller verstarb, bildete sich eine große Erbengemeinschaft aus der zweiten Generation der Nachfahren der enteigneten Familie.
Im Wege der Restitution war die Erbengemeinschaft zunächst gezwungen, gegen die Verkäufer der Immobilie vorzugehen. Diese waren selber Nachfahren der Regimetreuen, die 1936 das Grundstück erhalten hatten.
Die Verkäufer gerieten allerdings in Insolvenz, sodass eine Realisierung der Forderung der Erbengemeinschaft auf Kompensation des Vermögensverlustes unmöglich wurde.
Mit der Insolvenz des letzten, privaten Schuldners war allerdings endlich der Weg für Staatshaftungsansprüche gegen den Träger der zuständigen Behörde für die Restitutionsanträge offen.
Eine Besonderheit des Staatshaftungsrechtes ist es, dass der Staat gemäß § 839 I S. 2 BGB nur subsidiär (nachrangig) haftet. Der Anspruchssteller muss also zunächst alle anderen möglichen Quellen der Kompensation in Anspruch genommen haben.
Letztlich konnten die Ansprüche gegen den Staat realisiert werden, weil dieser den rechtmäßigen Restitutionsantrag der Vorfahren der Kläger innerhalb von sechs Jahren nicht bearbeitete. Wäre der Antrag rechtmäßig bearbeitet worden, wäre das Grundstück nicht an einen Dritten verkauft worden und hätte noch an die Erbengemeinschaft übergeben werden können. „Die saubere Aufarbeitung aller Geschehnisse seit 1936 hat mehrere Monate in Anspruch genommen. Es mussten diverse Archivstellen und Behörden befragt werden und Dutzende an Aktenordnern gesichtet werden“, so Rechtsanw
von Merle Hribar | Sep 21, 2021 | Allgemein
Leider gibt es hier nur eine etwas vage Antwort: Wahrscheinlich.
Die Antwort auf diese Frage hängt mit dem Anwendungsbereich etwaiger Verbotsvorschriften auf die Bestimmung des Betreuers durch den Betreuten als Erben zusammen.
Zunächst ist festzuhalten, dass gemäß § 1937 BGB jedermann nach dem Willen des Testators zum Erben bestimmt werden kann. Die sogenannte Testierfreiheit geht soweit, dass diese außer durch besondere letztwillige Verfügungen nicht eingeschränkt werden kann (§ 2303 BGB).
Voraussetzung für ein wirksames Testat ist unter anderem die Testierfähigkeit. Die Testierfähigkeit ist ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit. Der Testierende muss erkennen, dass er ein Testat errichtet und welche Reichweite dieses hat. Er muss frei von Einflüssen Dritter sein und die Wirkung auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschätzen können. Die Testierunfähigkeit ist im Gesetz in § 2229 Abs. 4 BGB geregelt.
Soweit es an der Testierfähigkeit fehlt, kann kein Testament errichtet werden. Da es sich um ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft handelt (§ 2064 BGB), scheidet eine Vertretung im Willen aus.
Allerdings ist bekanntlich nicht jeder Betreute testier- oder geschäftsunfähig. Soweit der Betreute in der Lage ist zu testieren, steht es ihm dem Grunde nach völlig frei, einen Erben nach seinem Willen zu bestimmen.
Nun wird aber die Erbeneinsetzung eines Betreuers durch seinen Betreuten zumindest teilweise in Zweifel gezogen.
Das OLG Braunschweig beschloss, dass die Einsetzung eines Betreuers als Erbe einer Betreuten sittenwidrig sei (OLG Braunschweig v. 04.11.1999 – 2 U 29/99). Dabei stellt das Gericht richtigerweise fest, dass Testamente nur äußerst ausnahmsweise wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein können. Deshalb, so ist die Entscheidung wohl zu verstehen, reicht eine Betreuer-Betreuten Beziehung allein nicht aus. Vielmehr muss der Betreuer auch – wie in diesem Fall – die Betreute aktiv zu seinen Gunsten beeinflussen. Er muss das Vertrauensverhältnis regelrecht ausnutzen.
Ähnlich sieht es das OLG Celle in einer neueren Entscheidung (OLG Celle, Urteil v. 07.1.2021 – 6 U 22/20)
Bemerkenswert und richtig an diesen Entscheidungen ist, dass ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – zum Beispiel dem gezielten Manipulieren des Betreuten – an der Erbeinsetzung eines Betreuers nicht auszusetzen ist.
Das sieht auch das OLG Bayern so. In der Entscheidung 1 Z BR 73/97 v. 18.12.1997 stellt das Gericht fest, dass allein in der Erbeinsetzung des Betreuers durch den Betreuten nichts Verwerfliches oder sogar Sittenwidriges liegt. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich keine Ausschlussregelung an dieser Stelle getroffen.
Wie das Gericht richtig feststellt, gibt es Personengruppen, die vom Gesetzgeber nicht als Erben von bestimmten Personen benannt werden können. Insbesondere § 10 HeimG (mittlerweile § 7 WTG NRW) verbietet es Beschäftigten in einer Pflegeeinrichtung, Leistungen der Bewohner anzunehmen. Insbesondere dürfen diese nicht zu Erben bestimmt werden.
Richtigerweise lehnt das OLG Bayern aber eine Anwendung dieser Vorschrift auf Betreuer ab. Die Intention des Gesetzgebers war es, die Bewohner aufgrund des direkten Zugriffs des Heims und der Eingliederung in das System der Pflegeeinrichtung zu schützen. Die Situation zwischen Betreutem und Betreuer ist allerdings völlig anders.
Fazit:
Soweit der Betreute testierfähig ist und nicht durch den Betreuer beeinflusst wird, steht zumindest nach jetzigem Stand der Erbeinsetzung eines Betreuers wenig entgegen.
Da es bei Testamenten von Betreuten aufgrund der statistisch höheren Zahl an Geschäftsunfähigen im Vergleich zu nicht Betreuten im Erbfall häufig zum Streit um die Testierfähigkeit kommt, sollten hier schon zum Testatszeitpunkt etwaige Sicherungsmechanismen ergriffen und eingesetzt werden.
von Merle Hribar | Sep 21, 2021 | Allgemein
I. Einleitung
Eine der anscheinend am leichtfertigsten durch Betreuer gehandhabten Situationen ist es, wenn der Betreute erbt. Dabei verstecken sich gerade in dieser Situation kaum absehbare Haftungsrisiken für den Betreuer, die bedauerlichenfalls meistens unbekannt sind oder zumindest gröblich unterschätzt werden. Der Autor selbst ist Rechtsanwalt in der Anwaltskanzlei Wortmann und leitet dort das Dezernat Erbrecht. Gleichzeitig befinden sich zwei Berufsbetreuer in der Kanzlei. Durch die tägliche Zusammenarbeit mit Betreuern und der Arbeit auf dem Gebiet des Erbrecht ist dem Autor klar geworden: Hier muss etwas Aufklärung geleistet werden.
II. Ausgangssituation
Gemäß § 1901 Abs. 2 S. 2 BGB hat „[d]er Betreuer […] die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht.“
Mit anderen Worten hat der Betreuer gemäß dem durch das Gericht angeordneten Wirkungskreis alle Entscheidungen im Sinne des Betreuten zu treffen. Soweit der Betreuer – typischerweise – den Bereich der Vermögensorge betreut, hat er alle Geschäfte so zu regeln, dass sie zum Vorteil des Betreuten sind. Dies bedeutet im Rechtsverkehr ausschließlich Rechtsgeschäfte abzuschließen, die erforderlich sind, um möglichst Schaden von dem Betreuten abzuwenden.
Der Betreuer haftet dem Betreuten, wenn er seine Pflicht – insbesondere die zur Vermögenssorge – schuldhaft verletzt gem. § 1833 BGB i.V.m. § 1908i BGB.
Sollte der Betreuer also beispielsweise ein nicht erforderliches Geschäft für den Betreuten abschließen (z.B.: einen zweiten, nicht erforderlichen Handyvertrag), dann haftet er dem Betreuten mit seinem Privatvermögen für den entstandenen Schaden.
So offensichtlich der Eintritt des Vermögensschadens bei vorgenanntem Beispiel ist, so verdeckt ist das Haftungsrisiko im Falle der Erbschaft des Betreuten. Insbesondere drohen hier schnell Haftungssummen, die eine etwaige Versicherung weit übersteigen.
Dazu ein Beispiel aus der Anwaltstätigkeit des Autors:
Berufsbetreuerin A sucht den Unterzeichner in seinen Kanzleiräumen mit folgendem Sachverhalt auf. Ihre Betreute habe geerbt. Die Erblasserin selbst stand allerdings bereits unter Betreuung. Das zuständige Amtsgericht habe ihr den Abschlussbericht der Betreuerin der Erblasserin übermittelt. Der Abschlussbericht weise eine negative Kapitalbilanz der Erblasserin auf. Auch das zuständige Nachlassgericht habe ihr geraten auszuschlagen.
Im Ergebnis hatte die Betreuerin A Glück, sich professionelle Hilfe zu suchen, denn mein erster Rat war: Um Gottes Willen nicht ausschlagen!
Tatsächlich fand sich in diesem Nachlass noch eine Immobilie. Hätte die Betreuerin so einfach ausgeschlagen, wäre ein Schaden von ca. 100.000,00 € entstanden.
Die Betreuerin der Erblasserin hat in ihrem Abschlussbericht eine Immobilie angegeben, diese allerdings mit 0,00 € bewertet. Auf Nachfrage des Autors gab das Betreuungsgericht an, es handle sich um eine selbstgenutzte Wohnung. Diese sei in der Vermögenbilanz nicht zu berücksichtigen, da es sich um Schonvermögen handelt. Abgesehen davon, dass diese Ansicht wohl auch nicht mit dem geltenden Recht korrespondiert, hätte im Falle der Ausschlagung die Betreuerin trotz der fehlerhaften Auskünfte gehaftet.
In diesem Fall wäre für die Betreuerin – wie es wahrscheinlich der Regelfall sein dürfte – auch keine Anfechtung der Ausschlagung gem. § 1954 BGB in Betracht gekommen. Denn für diesen Fall – hier der Irrtumsanfechtung – muss die Betreuerin zunächst selbst eine feste Vorstellung von der Überschuldung des Nachlasses haben. Zwar ist die irrige Annahme eines überschuldeten Nachlasses grundsätzlich ausreichend für die Anfechtung der Ausschlagungserklärung, mit der Folge, dass der Anfechtende – unter Aufbringung großer Mühe und viel Geld – doch wieder Erbe wird. Allerdings bedarf es hier einer hinreichend gesicherten Vorstellung des ausschlagenden Betreuers, dass der Nachlass tatsächlich überschuldet ist. Fehlt es daran und die Ausschlagung wird ohne Nachforschungen erklärt, da man den Nachlass (möglicherweise aufgrund fehlerhafter Informationen Dritter) für überschuldet hält, ist eine Irrtumsanfechtung regelmäßig ausgeschlossen (OLG Düsseldorf Beschluss v. 31.01.2011 I-3 Wx 21/11).
Im vorliegenden Fall wäre die Betreuerin also vollkommen in der Haftung gewesen.
III. Das richtige Vorgehen im Erbschaftsfall
Sie kommen nun in die unangenehme Situation, dass Ihr Betreuter erbt. Was nun?
Nicht voreilig ausschlagen!
Das ist tatsächlich zunächst das Wichtigste. Dem Autor ist bekannt, dass es ein Impuls der Betreuer ist, bei nicht offensichtlich potenten Nachlässen schnell die Ausschlagung zu erklären. Insbesondere, wenn der Betreute nicht an erster Stelle der Erbordnung steht und es ggf. schon Ausschlagungen davor gab. Allerdings zeigt obiges Beispiel recht eindeutig: Ausschlagen ohne fundierte Kenntnis des Nachlasses ist keine Option.
Es gibt aber auch andere Möglichkeiten:
Empfehlenswert ist es, sich unverzüglich anwaltliche Unterstützung in Form eines Erbrechtsanwalts zu organisieren.
Unabhängig davon ist Folgendes zu beachten:
1. Erbausschlagungsfrist
Auch wenn eine unüberlegte Ausschlagung keinen Sinn macht und gefährlich ist, kann sich zum Ende der Ausschlagungsfrist ergeben, dass eine Ausschlagung ungefährlich ist.
Grundsätzlich Beginnt die Frist mit Kenntnis des Todes des Erblassers und des Grundes der Berufung. Ab dann läuft eine sechs Wochen Frist gem. § 1644 Abs. 1 BGB. Sollte Ihr Betreuter geschäftsunfähig und ihm selbst jedoch die entsprechende Meldung des Nachlassgerichts zugestellt worden sein, beginnt die Frist erst ab Kenntnis des Betreuers (BayObLG, FamRZ 98,642).
2. Ermittlungen
In der Erbausschlagungsfrist sollten die ersten notwendigen Ermittlungen angestellt werden, erforderliche Auskünfte bei den Ämtern angefragt werden etc.
Es bietet sich an, ein Nachlassverzeichnis zu fertigen, welches alle Nachlassaktiva und
-passiva ausweißt.
Sollte sich nach Abschluss der Ermittlungen innerhalb der Ausschlagungsfrist kein klares Bild der Überschuldung des Nachlasses abzeichnen, darf der Nachlass nicht ausgeschlagen werden!
3. Nach Ablauf der Ausschlagungsfrist
- Sollte sich nach Ablauf der Ausschlagungsfrist herausstellen, dass der Nachlass potent ist, also die Aktiva die Passiva übersteigen: Herzlichen Glückwunsch! Sie haben Ihrem Betreuten Vermögen eingebracht und sind selbst einer Haftungsfalle entkommen.
- Sollte sich herausstellen das der Nachlass indifferent ist oder doch überschuldet, gilt es nunmehr nachlasssichernde Maßnahmen zu ergreifen. Nach Ansicht des Unterzeichners ist es die Unkenntnis der Möglichkeit der nachlasssichernden Maßnahmen, die bei Betreuern den Reflex der Flucht in die Erbausschlagung auslösen. Was kann man also machen?
1. Sollte der Nachlass immer noch nicht ausreichend geordnet sein (Bsp.: Weil sich ein Handelsgewerbe oder ähnliches in dem Nachlass befindet), ist ein Antrag auf Nachlassverwaltung gem. § 1981 Abs. 1 BGB zu stellen. In diesem Fall trennt sich das Vermögen des Erblassers von dem des Erben und etwaige Forderungen gegen den Nachlass werden auf diesen begrenzt. Der Betreute haftet nicht mehr für etwaige Schulden des Erblassers. Auf der Gegenseite verliert der Erbe die Verfügungsgewalt über den Nachlass. Ist der Nachlass hinreichend geordnet, wird ein etwaiger verbleibender Rest an den Erben übergeben. Eine Nachlassverwaltung ist meist mit hohen Kosten verbunden und sollte nicht leichtfertig beantragt werden.
2. Sollte sich der Nachlass als überschuldet darstellen, muss unverzüglich die Nachlassinsolvenz beantragt werden gemäß 1980 BGB. Auch in diesem Fall werden Nachlassvermögen und Privatvermögen des Betreuten getrennt. Ein eingesetzter Insolvenzverwalter begleitet ab hier die Verteilung des Nachlasses.
3. Sollten selbst die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht aus den vorhandenen Aktiva gedeckt werden können (also kein Bargeld oder Bankgeld mehr vorhanden sein), besteht noch die Möglichkeit, die Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB zu erheben. Damit kann der Erbe die Befriedigung von etwaigen Gläubigern verweigern.
IV. Fazit
Für einen Betreuer ist das Ausschlagen einer Erbschaft aufgrund der Möglichkeit der nachlasssichernden Maßnahme nicht erforderlich und kann im schlimmsten Fall sogar zu einer empfindlichen Haftung führen. Sollten Sie keine Erfahrung mit der Abwicklung von Erbschaften haben, ist es völlig legitim, einen Erbrechtsanwalt mit der Abwicklung zu beauftragen.
von Merle Hribar | Jan 7, 2021 | Allgemein
Die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses ist eine Aufgabe, mit der sich fast ein jeder Erbe zu einem gewissen Zeitpunkt befassen muss.
Dabei ist zunächst zu klären, was überhaupt ein Nachlassverzeichnis ist.
Das Nachlassverzeichnis ist zunächst ein Bestandsregister im Sinne von § 260 BGB. Dieses soll im Todesfall Auskunft über den Momentanen Vermögensstand des Erblassers geben.
In letzter Konsequenz bedarf es eines Nachlassverzeichnisses dann, wenn Dritte Ansprüche gegen den Nachlass geltend machen.
In Frage kommen hier häufig alte Gläubiger des Verstorbenen, Behörden und nicht zuletzt Pflichtteilsberechtigte.
Bei Pflichtteilsberechtigten handelt es sich um bestimmte gesetzliche Erben nach §§ 1924 ff BGB, die durch den Erblasser aufgrund eines Testamentes enterbt worden sind.
Die Grundlage der nun folgenden Anspruchsauseinandersetzung bildet das Nachlassverzeichnis.
Dies, da der Pflichtteilsberechtigte nur eine gewisse Quote (die Hälfte seines gesetzlich vorgeschriebenen Erbteils) erhält.
Dem folgend: Je höher der angegebene Wert im Nachlassverzeichnis, desto höher der Pflichtteilsanspruch.
An dieser Stelle sind die kollidierenden Interessen schon ersichtlich. Der Pflichtteilsberechtigte möchte ein möglichst hohes Nachlassvermögen dargestellt haben, während der Erbe an dieser Stelle einen eher geringen Wert bevorzugen dürfte.
Regelmäßiger Streitpunkt bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses ist die Bewertung einzelner Vermögensgegenstände im sogenannten Aktivbestand des Nachlasses.
Grundsätzlich gilt das sogenannte Stichtagsprinzip. Mit dem Tod des Erblassers tritt der Erbe in die Stellung des Verstorbenen ein. Daher muss der Wert des Nachlasses in diesem Zeitpunkt in das Nachlassverzeichnis aufgenommen werden.
Aber wie sind einzelne Positionen des Nachlasses zu bewerten? Wie viel ist eine Immobile denn tatsächlich wert?
Nächster Streitpunkt sind regelmäßig die sogenannten Nachlasspassiva, sprich: Welche Kosten und Lasten können von dem vorhanden Vermögen abgezogen werden.
Grundsätzlich können alle Verbindlichkeiten von der Erbmasse abgezogen werden, die der Erblasser vor seinem Versterben eingegangen ist.
Problematisch wird es bei Kosten, die erst nach seinem Tod anfallen. Insoweit können unproblematisch Beisetzungskosten von dem Nachlass abgesetzt werden und entsprechend als Passiva im Nachlassverzeichnis geführt werden.
Aber wie sieht es mit den Kosten der Nachlassverwaltung aus? Kann die Entrümpelung der Wohnung des Erblassers abgesetzt werden? Wie steht es mit den Gebühren für einen Erbschein/die Testamentseröffnung? Oder mit den laufenden Grabpflegekosten?
Wie häufig, kann hier die Antwort nicht pauschal gegeben werden.
Während die Testamentseröffnungsgebühren in der Regel nicht absetzungsfähig sind, können es die Gebühren für den Erbschein im Einzelnen sein.
Auch bei den Entrümpelungskosten kommt es im Einzelnen auf Details an.
Soweit der Erblasser einem Dritten ohnehin zur Räumung der Wohnung verpflichtet gewesen wäre, sind diese abzugsfähig. Beispielsweise ist der Erblasser als Mieter einer Wohnung dem Vermieter dazu verpflichtet.
Problematischer wird es, soweit der Erblasser Eigentum bewohnte. Hier kann die Antwort nicht mehr pauschal gegeben werden.
Letztlich ist Nachlassverzeichnis nicht gleich Nachlassverzeichnis, denn insbesondere der Pflichtteilsberechtigte hat ein Interesse an dem sogenannten fiktiven Nachlass.
Dabei handelt es sich um unentgeltliche Zuwendungen, die der Erblasser bis zehn Jahre vor seinem Tod getätigt hat.
Diese Schenkungen werden nach einer bestimmten Rechnungsmethode dem Nachlass als fiktives Vermögen hinzugerechnet und können im Rahmen des Pflichtteilergänzungsanspruches anspruchserhöhend wirken.
Nicht zuletzt sind unter gewissen Umständen auch die Kosten der Beauftragung eines Rechtsanwalts vom Nachlass absetzbar.
von Merle Hribar | Jan 7, 2021 | Allgemein
Die Sache mit dem Erbschein. Oft verlangt, selten erforderlich. Braucht man immer einen, wenn zum Beispiel ein Kreditinstitut einen solchen fordert? NEIN!
Zunächst gilt es wohl zu klären, was ein Erbschein überhaupt ist. Auf Antrag eines Erbens erteilt das zuständige Nachlassgericht eine solche Urkunde. Die Urkunde selbst soll die Erklärung beinhalten, dass die in ihr genannte Person auch wirklich der Erbe eines Verstorbenen geworden ist. Dabei ist derjenige, der im Erbschein benannt wird, keinesfalls ein „in Stein gemeißelter“ Erbe. Tatsächlich nimmt das Nachlassgericht zwar eine Prüfung der Echtheit des Testaments oder der gesetzlichen Erbfolge vor, diese ist aber nicht vor Fehlern gefeit, geschweige denn davor, dass das eingereichte Testament, aufgrund dessen das Nachlassgericht beschließt, gar nicht das letzte und damit tatsächliche Testament ist. Demnach kommt dem Erbschein auch keine absolute Wirkung zu, sondern gemäß § 2365 BGB wird nur vermutet, dass derjenige, welcher im Erbschein benannt ist, auch der tatsächliche Erbe ist.
Warum nun ein Erbschein? Denn die Beantragung bei Gericht kostet Zeit und Geld.
Vielfach werden Erbscheine von Behörden oder Banken stoisch verlangt, sobald es um den Antritt des Nachlasses geht. Das Kreditinstitut will sich möglichst absichern, das Vermögen des Verstorbenen auch in die richtigen Hände zu geben. Dies ist insbesondere dann für den Erben ernüchternd, wenn die Erbfolge völlig klar ist.
Die Folge davon -müsste der Erbe nun zwingend einen Erbschein vorlegen, wäre dass der Erbe ein mühseliges, keineswegs kostenfreies, Verfahren beim Nachlassgericht anstrengen muss. Ergebnis davon wäre, dass der klare Erbe erst Monate später an das Vermögen des Verstorbenen kommt und weder notwendige Verfügungen in dieser Zeit vornehmen, noch die Konten auflösen kann.
Aber darf die Bank denn grundsätzlich überhaupt einen Erbschein verlangen?
Nein, darf sie nicht.
Die Bank darf nur einen Erbschein verlangen, soweit sie tatsächliche Zweifel an der Erbenstellung hat. Gleiches dürfte für Behörden gelten (OLG Hamm, Urteil vom 01.10.2012 – I-31 U 55/12).
Insoweit ist man häufig gut beraten, bevor man einen Erbschein beantragt, zunächst die Frage zu stellen: Brauche ich diesen überhaupt?
von Merle Hribar | Jan 7, 2021 | Allgemein
Teil 1 Die Berücksichtigung im Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §2325 BGB
Die Berücksichtigung von Vermögenswerten im Rahmen des sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist immer wieder Ausgangspunkt für mannigfaltige Streitigkeiten.
Die Ausgangssituation
Die Ausgangssituation ist dabei stets die Folgende: Eine nach den gesetzlichen Vorschriften erbberechtigte Person (§§ 1924 ff. BGB) wird durch eine letztwillige Verfügung enterbt. Soweit es sich dabei um die Abkömmlinge des Erblassers oder den Ehepartner handelt, ist dieser nach § 2303 BGB pflichtteilsberechtigt. Das Pflichtteilsrecht gibt dem Enterbten einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils am Nachlass des Verstorbenen.
Derweil bezieht sich der Anspruch des Enterbten nicht nur auf das tatsächliche zum Todeszeitpunkt im Nachlass vorhandene Vermögen. Vielmehr steht dem Pflichtteilsberechtigten auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch zu.
Damit der Pflichtteilsberechtigte nicht durch Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten übermäßig belastet wird, werden Schenkungen des Erblassers an Dritte in den letzten zehn Jahren nach einem bestimmten rechnerischen Schlüssel zum Nachlassvermögen hinzugerechnet. Der verschenkte Vermögenswert wird „fiktiv“ in den Nachlass hineingerechnet.
Die grundlegende Überlegung hinter dieser Regel ist Folgende: Was nützt dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch am Nachlass, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod alles verschenkt hat? Dann hätte der Pflichtteilsberechtigte zwar auf dem Papier einen Anspruch, dieser würde sich aber allein an dem noch vorhandenen Vermögen bemessen.
Daher ordnet § 2325 BGB an, dass die Schenkungen des Erblassers der letzten zehn Jahre nach einem „Abschmelzmodell“ zu berücksichtigen sind.
Wichtig: Ein Pflichtteilsanspruch bezieht sich dabei immer nur auf Vermögen, sprich einen Anspruch in Geld, nicht auf die Herausgabe von bestimmte Sachen.
Nach § 2325 III BGB „schmilzt“ dabei die Wertigkeit des Nachlassgegenstandes ab. Wurde ein Gegenstand im ersten Jahr vor dem Tod des Erblassers verschenkt, ist dieser noch mit 100 % seines Wertes in den Nachlass einzupreisen. Für jedes weitere Jahr vor dem Tod werden 10 % des Wertes abgezogen, bis der verschenkte Gegenstand keine Berücksichtigung mehr im Nachlass findet.
Problematisch: Die Bewertung von Immobilien
Dem Grunde nach verhält es sich auch mit Immobilien. Wird eine Immobilie drei Jahre vor dem Jahr des Todes des Erblassers verschenkt, wird diese noch mit 80% ihres Wertes in den Nachlass eingepreist.
Wie und nach welchem Prinzip die Wertigkeit von Immobilien ermittelt wird, ist Gegenstand des zweiten Teils des Artikels.
Hier soll die Frage beantwortet werden:
Wann beginnt die Frist aus § 2325 III BGB zu laufen?
Grundsätzlich beginnt die Frist erst mit vollendeter Schenkung, also erst dann, wenn die Immobilie vollständig aus dem Vermögen des Erblassers ausgegliedert ist. Regelmäßig ist dies mit Umschreibung des Grundbuchs gemäß § 873 I BGB der Fall.
Problematisch wird es allerdings, wenn der Erblasser die Immobilie faktisch gar nicht aus seinem Vermögen ausgliedert.
Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser sich ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch einräumt.
Bei dem Nießbrauch handelt es sich um ein weitgehendes Nutzungs- und Verwertungsrecht. Der Nießbrauchnehmer ist zwar kein Eigentümer mehr, darf die Immobilie allerdings weitestgehend uneingeschränkt nutzen und diese zum Beispiel auch weitervermieten.
Bei einem Wohnrecht handelt es sich nur um einen Ausschnitt aus einem Nutzungsrecht. Das Wohnrecht ist häufig auf einzelne Teile einer Immobilie begrenzt. Weiter darf der Wohnrechtinhaber die Wohnung grundsätzlich nur persönlich nutzen und nicht an Dritte weitergeben.
Nießbrauch
Da das Nießbrauchsrecht dem Volleigentum an einer Immobilie sehr nahe kommt, geht die insoweit gefestigte Rechtsprechung davon aus, dass ein Verschenker eine mit einem Nießbrauchsrecht zu seinen Gunsten belastete Immobilie nicht völlig aus seinem Vermögen ausgliedert. Er vollzieht die Schenkung nicht in Gänze. Dies führt dazu, dass der Fristbeginn für die Frist nach § 2325 III BGB nicht die Umtragung im Grundbuch ist, sondern die Frist erst mit Nutzungswegfall beginnt.
Dieser Umstand führte schon häufiger bei einigen Erben zu einer bösen Überraschung.
Anders kann dies bei einem sogenannten Quotennießbrauch aussehen. Hier behält sich der Verschenker lediglich die Nutzung einer bestimmten Quote der Immobilie vor.
Wohnrecht
Komplizierter sieht es bei dem lediglich vorbehaltenen Wohnrecht aus.
So entschied der BGH 2016, dass es auf den Umstand im Einzelfall ankommt (BGH vom 29. Juni 2016, Az: IV ZR 474/15).
Er stellt fest, dass ein Wohnrecht geeignet sein kann, den Fristbeginn mit Umschreibung des Grundstücks zu verhindern.
Nicht ausreichend soll es sein, dass ein Wohnrecht lediglich an untergeordneten Teilen der Immobilie besteht. Auch eine rein faktische Nutzung von Räumlichkeiten der Immobilie soll nicht ausreichen.
Als Maßstab für einen etwaigen Fristenlauf aufgrund des Wohnrechts gibt der BGH vor, dass der Verschenker auch im Wesentlichen auf die Nutzung der Immobilie verzichten muss.
Dabei sollen die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sein. Insoweit dürfte es nicht ausschließlich auf eine Nutzung der Immobilienfläche „über 50 %“ ankommen.
Im nächsten Teil des Artikels wird die konkrete vermögensrechtliche Bewertung von Immobilien im Nachlass dargestellt.